Erste-Hilfe-Kurs am THG beweist: Reanimation kann jeder

Wer einen Führerschein besitzt, hat einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Trotzdem greifen bei Notfällen nur wenige beherzt ein. Das soll ein Projekt am Waltroper THG ändern.

 Mit „Atemlos durch die Nacht“ sang Helene Fischer sich ins Herz ihrer Fans und ahnte vermutlich nicht, dass ihr Hit bei einem Stillstand desselben genau das verhindern kann: zu lange, ohne Sauerstoff zu sein. Im Takt der Musik meistern nämlich auch Ungeübte eine Herzdruckmassage. „Reanimation kann jeder“, glauben Studierende der Uni Witten/Herdecke. Sie haben im Jahr 2017 die Initiative „Herzergreifend“ gegründet und wollen damit insbesondere jungen Menschen die Scheu vor dem „sensiblen Thema der Wiederbelebung“ etwa bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand nehmen – eine Situation, die jederzeit und überall eintreten könne. In 90-minütigen kostenlosen Workshops pauken sie mit Sechstklässlern lebensrettende Maßnahmen nach aktuellen ERC-Leitlinien (European Resuscitation Council Guidelines) – in Theorie und Praxis.

Die ehemaligen THG-Absolventinnen Lucy Bode-Schnurbus und Josefa Kayser haben das Projekt jetzt zusammen mit vier weiteren Medizinstudierenden an ihre alte Schule geholt. Erfahrungen mit Erster Hilfe haben die Elf- bis Zwölfjährigen wenig bis keine. Erste Hilfe, was ist das überhaupt? „Wenn man jemanden vor dem Ertrinken rettet“, schlägt Neva Tetik aus der 6d vor. „Oder wenn einer vom Rad gefallen ist und man ihn tröstet?“ „Ja, Mut zusprechen gehört auch dazu.“

Was aber mache ich, wenn jemand umkippt? Wie hole ich fremde Passanten mit ins Boot? Warum muss der Kopf in der stabilen Seitenlage überstreckt werden, und weshalb müssen Bewusstlose, die noch atmen, auf die Seite gedreht werden? „Damit sie nicht an ihrer Kotze ertrinken“, weiß Maximilian Pelekies. Niemand kichert. Keiner reißt Witze. Alle sind konzentriert bei der Sache.

Acht Minuten können lang werden

Ist jemand bewusstlos, müsse zuerst zehn Sekunden lang überprüft werden, ob er noch atmet. „Zählt ruhig laut bis zehn, das tut keinem weh“, rät Lucy. „Ruft die 112 und holt euch Hilfe von Umstehenden.“ Geübt wird kurz, was man dem Notruf mitteilt, dann der Tipp: „Lasst euer Handy an, bis der Rettungsdienst eintrifft. Am Telefon hilft man euch, zählt euch den Takt der Wiederbelebung vor, wenn die bewusstlose Person nicht mehr atmet.“

Durchschnittlich acht Minuten dauere es, bis die Sanitäter einträfen. Solange dürfe man eine Herzdruckmassage nicht unterbrechen. Acht Minuten, die sehr lang, sehr anstrengend werden können. „Sprecht Passanten deshalb gezielt an: Sie da mit dem roten Pullover, helfen Sie mir bitte.“ Es sei nicht unhöflich, Erwachsene in einer solchen Situation herbei zu zitieren. Im Gegenteil: Wer nicht reagiere, müsse mitunter wegen unterlassener Hilfeleistung haften.

Fester Druck aufs Brustbein notwendig

Dann simulieren die Studierenden den Ernstfall: An Puppen trainieren die Kinder Herzdruckmassagen. Helene Fischers „Atemlos“ singen sie dabei nicht. Sie sind es eher selbst wegen der Anstrengung.

In Fünfergruppen wechseln sie sich ab, geben alles beim festen Druck mit den Handballen und ausgestreckten Armen aufs Brustbein, angefeuert vom Klatschen und rhythmischen Zählen ihrer Mitschüler.

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„Öffnet Winterjacken, zieht dicke Pullover hoch, damit der Druck auch ankommt. Übt das mit Kissen oder Kuscheltieren, aber bitte niemals an Geschwistern, Haustieren oder generell lebenden Personen.“

Der lockere Ton zum ernsten Thema kommt an. Die mehrheitliche Bilanz nach lehrreichen anderthalb Stunden: „Es hat Spaß gemacht.“ Und: „Ich habe viel gelernt.“ Für Benedikt Susteck, Leiter der Erprobungsstufe am THG, ist es das Signal, „Herzergreifend“ bald zu wiederholen. Als nächstes geplant sei nun aber erst einmal ein Projekt zur Selbstverteidigung ...

 

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