Auf den Spuren der Waltroper jüdischen Familie Baum

Ein Beitrag von Frau S. Becker und Frau C. Körner:

Schülerinnen und Schüler bei der Führung durch das ehemalige KZ

Anfang der 1930er Jahre lebten in Waltrop einige jüdische Familien, die ganz selbstverständlich Teil der Waltroper Gesellschaft waren. Sie nahmen am öffentlichen Vereinsleben teil, engagierten sich und führten sogar bekannte und beliebte Waltroper Geschäfte - so auch die Familie Baum als Besitzer des Kaufhauses Stern und Baum an der Rösterstraße. Nur wenige Jahre später, genau genommen im Jahr 1938, titelte die Lokalzeitung: "Waltrop ist judenfrei". Die Jüdinnen und Juden in Waltrop waren binnen dieser kurzen Zeit ausgewandert, wurden versteckt und der Großteil von ihnen verhaftet und anschließend getötet.   

Um sich intensiver mit dem Schicksal dieser jüdischen Familien aus Waltrop auseinanderzusetzen, reisten zwanzig Schüler*innen des Theodor-Heuss-Gymnasiums mit ihren drei Lehrkräften Frau Becker, Herr Miezal und Frau Körner vom 9. - 15. Juni 2023 im Rahmen einer Gedenkstättenfahrt in die polnische Stadt Oświęcim. Dort befindet sich die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, in welchem Millionen Menschen auf grausamste Art und Weise ermordet wurden.  

Eine besondere Rolle spielte für die Schüler*innen des THGs das Schicksal der Familie Baum. Denn im letzten Jahr übernahm das Gymnasium im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschichte der jüdischen Familien aus Waltrop eine Patenschaft für diese Familie. Die drei Söhne der fünfköpfigen Familie Baum konnten vor 1941 noch rechtzeitig aus Deutschland fliehen, der Vater Jakob Baum verstarb im Jahr 1938. Seine Frau Martha Baum konnte ihren Söhnen nicht mehr rechtzeitig folgen und eine Flucht aus Deutschland gelang ihr nicht mehr. Sie wurde im Jahr 1942 von Dortmund in ein Ghetto nach Riga deportiert, wo sie wenige Monate später starb. 

Frei nach dem Schulmotto Lernen und Leben“ wurde durch die Gedenkstättenfahrt das im Geschichtsunterricht auf Grundlage von Quellen und Darstellungen theoretisch vermittelte Thema des Holocaust mit Hilfe des außerschulischen Lernorts der Gedenkstätte Auschwitz begreiflicher gemacht. Dafür besuchte die Gruppe sowohl die Gedenkstätte Auschwitz I als auch Auschwitz-Birkenau. Auschwitz I löste bei den Schüler*innen eine emotionale Reaktion aus. Berge von abgeschorenen Haaren, Schuhen, Brillen, Koffern und Kinderbekleidung und -schuhen, machten es möglich, eine Vorstellung davon zu erlangen, wie den jüdischen Menschen damals alles genommen wurde, was ihnen etwas wert war. Auch die Konfrontation mit medizinischen Versuchen und deren Grausamkeit führte Vielen die Tragweite der Verbrechen noch einmal intensiver vor Augen. Die Tatsache, dass die Gruppe den Namen von Martha Baum am Ende der Führung in einem Verzeichnis mit den Opfern der Nationalsozialist*innen entdecken konnte, machte die Erfahrung noch realer. Der Besuch von Auschwitz-Birkenau, gewährte den Schüler*innen am folgenden Tag einen anderen Blick auf die Verbrechen der Nationalsozialist*innen. Für die meisten rückten die emotionalen Gefühle des Vortags auf dem weitläufigen Gelände in den Hintergrund und machten Platz für ein Gefühl von Bestürzung: Bestürzung über die Größe, die unvorstellbaren Dimensionen, in denen jüdische Menschen unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten und umgebracht wurden.   

Damit das Judentum für die Schüler*innen aber nicht nur mit dem vergangenen Leid und Schmerz in Verbindung gebracht wird, besuchte die Gruppe auch die polnische Stadt Krakau. Neben einer Stadtführung durch das jüdische Viertel Kazimierz und einem Besuch einer Synagoge bot Krakau den Teilnehmer*innen außerdem die Möglichkeit, die polnische Kultur zu erleben und die Stadt zu erkunden. Darüber hinaus konnte die Gruppe zum Abschluss in Krakau ein jüdisches Abendessen mit Klezmer-Musik erleben. 

Abschließend empfanden alle Teilnehmer*innen der Fahrt die Erfahrung als sehr wertvoll und wichtig. Viele von ihnen werden in Zukunft mit Sicherheit andere Gefühle und Gedanken verspüren, wenn sie in der Waltroper Innenstadt die Stolpersteine der ehemaligen jüdischen Waltroper*innen sehen, deren Spuren sie während der Gedenkstättenfahrt bis nach Auschwitz verfolgt haben. 

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